Sterzing und die Fugger: Silber und Blei von Gossensass und vom Schneeberg
In einer der schönsten Straßen Südtirols steht ein Haus der Augsburger Fugger
Seit 1524 waren die Augsburger Fugger als Gewerken (Grubenbesitzer) im Bergbau bei Sterzing vertreten: Jakob Fugger „der Reiche“ hatte ein Jahr vor seinem Tod die ersten Grubenanteile erworben. Bald nahm der Montankonzern in den Bergwerken um Sterzing eine dominierende Position ein: Die Fugger brachten nach und nach den Großteil der Grubenanteile am Schneeberg, im Pflersch-, Ridnaun- und Passeiertal, in Gossensass und Grasstein, mehrere Erzkästen und zwei wasserradgetriebene Pochwerke in ihren Besitz. Am Ende waren die Fugger nirgendwo länger im Bergbau nachweisbar als bei Sterzing. Anfang 1663 gab der Montankonzern, an den ein Haus im historischen Stadtzentrum von Sterzing erinnert, letzte Grubenanteile am Schneeberg ab.
Tipp
Entstanden ist Sterzing aufgrund der geographischen Lage als Mittelpunkt des Wipptales und als Rastplatz am Brennerpass. Den Mittelpunkt der historischen Innenstadt stellt der 46 Meter hohe Zwölferturm dar, der zwei historische Straßenzüge im Stadtzentrum – die Altstadt und die Neustadt – trennt. Sehenswert sind Hausfassaden mit eingemauerten Erzstufen und Reliefs, die an den Bergbau erinnern. Der Ratssaal im gotischen Rathaus lässt den durch den Bergbau erwirtschafteten Reichtum erkennen.
Das Bergrevier Gossensass-Sterzing war wohl – gemessen an seiner räumlichen Ausdehnung von ungefähr 2.400 Quadratkilometern – eines der größten in Tirol. Um 1540 erstreckte es sich vom Schneeberg im Passeier- im Westen über das Ridnauntal und Sterzing bis in die Gegend um Pfunders im Osten. Von Sterzing aus führte der Weg durch das Revier in Richtung Norden über Gossensass ins Pflerschtal sowie über den Brenner bis in die Region um Navis, im Süden über Grasstein bis zu den Bergen um Mühlbach und Schabs. Der Abbau von Eisenerz in Trens südlich von Sterzing ist erstmals um das Jahr 1010 überliefert, Silber vom Schneeberg wird schon 1237 erwähnt. Bis ins 15. Jahrhundert lag der Schwerpunkt der Bergbautätigkeit jedoch nicht in Sterzing, sondern rund um Gossensass, wo der Bergrichter seinen Sitz hatte und bereits 1427 eine Bergordnung erlassen wurde.
In diesem Bergbaurevier erwarb 1524 Jakob Fugger „der Reiche“, der sich 1522 zum ersten Mal selbst als Gewerke an Tiroler Bergwerken beteiligt hatte, für den Augsburger Montankonzern mehrere Gruben am Schneeberg. Dort und bei Gossensass war Melchior von Meckau, Bischof von Brixen, ab 1491 zu einem der größten Gewerken des Reviers geworden. Wie die Fugger war der Bischof in der Zeit um 1490 Gewerke im Gold- und Silberbergbau bei Gastein und Rauris.
1496 finanzierte er als stiller Teilhaber maßgeblich den Einstieg der Fugger in den oberungarischen Bergbau bei Neusohl. Melchior von Meckau, der auch den Kupferbergbau im Ahrntal bei Taufers betrieb, hatte bis 1498 rund 30 Prozent aller Gruben am Schneeberg in seinen Besitz gebracht. 1528 wurden die Gruben des 1509 in Rom verstorbenen Bischofs veräußert: Sie kamen nun – wohl auf Drängen des Kaisers – an die Fugger. 1533 besaß der Augsburger Montankonzern bei Sterzing mehrere hundert Gruben oder Grubenbeteiligungen sowie zahlreiche Erzkästen in Sterzing, in Gossensass, im Pflersch- und Ridnauntal. Dort wurde das aussortierte und gewaschene Erzgestein zwischengelagert.
Um 1530 hatte der Konzern in Grasstein – nur wenige Kilometer südlich von Sterzing – eine neue Schmelzhütte mit sechs Öfen errichten lassen, um so die aufwendigen, kostenintensiven Erztransporte zu seinen Verhüttungszentren im Inntal zu vermeiden und zugleich Steuern und Abgaben zu sparen. Der Tiroler Landesfürst, Kaiser Ferdinand I., kaufte dem Augsburger Patrizier Paul Herwart 1558 dessen Bergwerksanteile in Schwaz und im Berggericht Gossensass-Sterzing ab: Dadurch entstand de facto ein Staatsbetrieb. Als Gegenmaßnahme gründeten die Fugger mit den aus Schwaz stammenden Katzbeck, der Augsburger Gesellschaft Haug, Langnauer und Linck sowie dem Augsburger Montanunternehmen „Matthäus Manlichs Erben“ die „Jenbacher Gesellschaft“. (Manlich war Nachfolger der Fugger bei der Kupferpacht in Neusohl, an seiner Gesellschaft war auch sein Schwiegersohn Philipp Welser beteiligt.) Als die Fugger 1663 den Bergbau bei Sterzing aufgaben, verkauften sie ihre letzten Viertel-Anteile an den Gruben am Schneeberg und zogen sich endgültig aus dem Berggericht Gossensass-Sterzing zurück.
Ein Fuggerhaus, Erzstufen und Gezähe als Denkmäler reicher Sterzinger Gewerken
Auch wenn die Erzgruben am Schneeberg – in einer Höhe von 2.000 Metern und mehr – etliche Kilometer weit westlich von Sterzing lagen, ist die Bedeutung der Montanwirtschaft auch in der Stadt am Eisack nicht zu übersehen. In etlichen Hausfassaden eingemauerte Erzstufen (erzhaltige Gesteinsbrocken) über gotischen Eingangsportalen oder an Erkern über den Laubengängen zeigen an, dass dort Gewerken (Bergwerksbesitzer) lebten. Nach einem Steuerkataster aus dem Jahr 1540 wurden von den 160 Häusern 23 Gebäude der Sterzinger Altstadt und Neustadt von Gewerken bewohnt oder hatten – wie etwa das Bergrichterhaus beim Zwölferturm – einen Bezug zum Bergbau. Eine Sterzinger Urkunde von 1626 erwähnt „der Fugger Behausung“. Gegenüber dem gotischen Rathaus kennzeichnet eine Beschilderung das Anwesen Neustadt 24 als Fuggerhaus, über dessen Eingangsportal ebenfalls eine Erzstufe eingemauert ist. Dieser Bau gehörte einst dem Schwazer Gewerken Hans Stöckl, er wurde 1553 an die Augsburger Manlich und einen Schwazer Bergbauunternehmer Dreiling veräußert. Ab 1556 wurde in diesem Haus ein Pfennwerthandel eingerichtet. Anfang des 17. Jahrhunderts übernahm die „Jenbacher Gesellschaft“, die ab 1578 nach dem Ausscheiden aller anderen Firmen allein den Fuggern gehörte, das Gebäude. Die Beschilderung an der Hausfassade besagt, dass die Fugger dieses Anwesen erst 1681 an den staatlichen Bergwerkshandel abtraten.
Eine Erzstufe wurde auch am Erker des ehemaligen Hauses der Sterzinger Gewerkenfamilie Flamm (Neustadt 31) eingemauert. Ihren Reichtum lassen Fragmente der gotischen Fassadenbemalung, florale Motive im bemalten Gewölbe des Laubenganges vor dem Flammhaus sowie dessen nobles Innere erkennen. Das Gezähe – gekreuztes Eisen und Schlägel, also die typischen Arbeitsgeräte der Schrämmtechnik in den Erzstollen – ist an Hauserkern der Neustadt zu finden. Dieses weltweit bekannte Symbol des Bergbaus entdeckt man auch unter den Schnitzereien an den Wangen des Kirchengestühls der ab 1497 errichteten Sterzinger Pfarrkirche „Zu Unserer Lieben Frau im Moos“ sowie in einer gemalten Wappenkartusche am dortigen Chorbogen. Namen und Wappen von Gewerkenfamilien sieht man an den Pfeilern des Mittelschiffes. Die Sterzinger Gewerken haben diese spätgotische dreischiffige Hallenkirche maßgeblich finanziert.
Der gut erhaltene 26 Meter hohe Bergfried der Ruine Straßberg steht nördlich der Sterzinger Fraktion (Ortsteil) Ried. Das 1280 erstmals erwähnte Lehensschloss an der Brennerstraße diente als Gerichtssitz und örtlicher Sitz der landesfürstlichen Verwaltung. Vom 14. bis ins 16. Jahrhundert war Burg Straßberg Lehen der Frundsberger in Schwaz, von 1619 bis 1628 kam sie kurzzeitig als Pfandbesitz an die Fugger.
Text © Martin Kluger
Sehenswürdigkeiten, aktuelle Ausstellungen und Tipps
Das Landesmuseum Bergbau in Ridnaun
20 Minuten vom Zentrum Sterzings entfernt liegt das Landesmuseum Bergbau in Ridnaun. Dieses Bergwerksmuseum ist einerseits ein Denkmal des Industriezeitalters, es erinnert aber andererseits auch an den Bergbau zu Zeiten der Fugger – und an die höchste Knappensiedlung Europas.
Das Bergrichterhaus in Gossensass
Noch bis ins 15. Jahrhundert lag der Schwerpunkt des Erzabbaus am Brenner nicht in Sterzing, sondern bei Gossensass. Dort hatte der Bergrichter seinen Sitz. Das Berggericht Gossensass-Sterzing wurde eines der größten Tirols. Das Bergrichterhaus mitten in Gossensass ist noch heute zu sehen.
Kupfer aus Klausen: das Bergwerk in Villanders
Rund 40 Kilometer südlich von Sterzing liegt Klausen. Von dort aus geht es zehn Kilometer lang bergauf nach Villanders. Eine Führung im dortigen Kupferbergwerk informiert zur Blüte des Erzabbaus, zum 25 Kilometer langen Stollensystem und zu den prominentesten Gewerken – den Fuggern.