Krakau - Handelsdrehscheibe
zwischen Ost- und Westeuropa

In der Handelsstadt an der Weichsel schlug die Fugger-Thurzo-Gesellschaft Tonnen begehrten Kupfers um

Im Um 1500 begann für Krakau ein blühendes Zeitalter: Der polnische König, in Personalunion zudem Großfürst von Litauen, verlegte seine Hauptresidenz auf den Wawel. Hier wurden oftmals die Treffen des polnischen Adelsparlaments abgehalten, auch war Krakau das wichtigste Bistum im Königreich. Ein selbstbewusstes Bürgertum aus der Kaste der Kaufleute hatte die Stadt aufblühen lassen: Von Ost nach West handelte man mit Pelzen, Honig, Wachs, Holz, aber auch wertvollsten Gewürzen aus Asien. Aus der Gegenrichtung kamen flämische Tuche oder Metallwaren. Der wichtigste Handelsweg indes verlief von Süden in Richtung Ostsee: Aus Ungarn trieb man große Rinderherden nach Norden - und vor allem verschiffte man Tonnen von begehrtem Kupfer aus Banská Bystrica (damals: Neusohl in Oberungarn) auf die Weichsel in Richtung Hafenstädte.

Ausschlaggebend für die Erweiterung des Fuggerschen Netzwerks war die Bekanntschaft mit Johann I. Thurzo gewesen, die 1495 in die Gründung eines Joint Ventures mündete: Der Kaufmann aus Krakau und Jakob Fugger gründeten den Gemeinen Ungarischen Handel mit dem Ziel, die Ausbeute aus den oberungarischen Kupferminen in ganz Europa zu vertreiben.

Tipp

Der Rynek Underground ist ein unterirdischer Marktplatz mit Fundamenten der Handelshäuser aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Krakau erlebte im ausgehenden Mittelalter eine außergewöhnliche Bodenerhöhung: Damit die ungepflasterten Straßen nach Regenfällen passierbar blieben, schüttete man oftmals Sand auf den Matsch und angesammelten Mist. Innerhalb von zwei Jahrhunderten erhöhte sich das Zentrum Krakaus dadurch um stattliche 1,70 Meter - ein Glücksfall für die Archäologie! In den 2000er Jahren entdeckten Bauarbeiter unter dem heute freien Marktplatz etliche Fundamente, die nun nur ein Stockwerk unter den berühmten Tuchhallen zu besichtigen sind. Zwei Stunden sollte man sich Zeit nehmen, um in die Handelsgeschichte Krakaus einzutauchen.

Krakau Travel

Jüdisches Leben im Stadtteil Kaszimierz.
© Katharina Dehner / Fugger und Welsermuseum Augsburg

Blühende Handelsstadt an der Via Regina

Nach dem Einfall mongolischer Reiterhorden und der kompletten Zerstörung des mittelalterlichen Krakaus wurde die Stadt ab 1241 wieder aufgebaut. Deutschsprachige Kaufleute wurden gezielt angeworben, die Lage an der Via Regia war attraktiv. Und nicht nur das: Mit der Einführung des Magdeburger Rechts schuf Kasimir der Große 1356 Rechtsgrundlagen, die für damalige Verhältnisse Freiheit und weitreichende Sicherheiten boten. Aufgrund der anhaltenden Pogrome im Heiligen Römischen Reich wanderten im 14. Jahrhundert zudem viele jüdische Familien ein und siedelten sich in der Nachbarstadt Kazimierz an - heute längst ein Stadtteil Krakaus. In Kazimierz trifft man heute wieder auf ein blühendes jüdisches Leben.

Kaufmann, Bergwerksingenieur, Bürgermeister: Johannes I. Thurzo

Fleißigen Neuankömmlingen bot die Stadt gute Chancen. Johann I. Thurzo war zwar nicht der Enkel eines Webers, sondern stammte aus einem niederen Adelsgeschlecht in der Zips (heutige Slowakei). Doch machte er sich bald als Kaufmann einen Namen und wurde innerhalb weniger Jahre zunächst als Ratsherr, dann sogar zum Bürgermeister gewählt. Sein Erfolg gründete auf exzellenter Ausbildung: Er hatte sich unter anderem in Venedig und im Harz in die Geheimnisse des Wasserhebens und Seigerns einweihen lassen - beste Voraussetzungen, um mit dem Handel von Metallen reich zu werden. Das Thurzo-Haus liegt am Rande des zentralen Marktplatzes.

Kupfer aus Oberungarn wurde in Krakau umgeschlagen.
© Katharina Dehner / Fugger und Welsermuseum Augsburg

Der Gemeine Ungarische Handel: Ein Erfolgskonzept

Seit dem 14. Jahrhundert waren die Bergbauaktivitäten in Europa zurückgegangen, da man bis zum Grundwasserspiegel gegraben und nurmehr sogenannte abgesoffene Gruben hatte. Neue Technologien ermöglichten das Abpumpen des Wassers aus den Bergwerken - doch diese kosteten. Um mehr Ausbeute zu erzielen, war das Seigern unabdingbar: Unter Zugabe von Blei konnte Silber wesentlich effizienter von Kupfer getrennt werden. Johann I. Thurzo brachte also nicht nur höchst wertvolle Kenntnisse ein, sondern auch viele Bergwerke in Ungarn, Schlesien, Böhmen und Siebenbürgen. Die Fugger-Firma hatte großes Interesse an den oberungarischen Kupfervorkommen und organisierte am Standort Nürnberg den Vertrieb nach Westeuropa. Kupfer aus Oberungarn wurde von Krakau aus an die Ostsee verschifft.

Hans Jakob Fugger Denkmal in Augsburg.
© Gundula Hurler / Regio Augsburg Tourismus

Doppelhochzeit im Hause Fugger

Um den Gemeinen Ungarischen Handel abzusichern, arrangierten die Thurzo und Fugger eine Doppelhochzeit: Ein Sohn Johanns I. Thurzo, Georg, heiratete Jakobs Nichte Anna, eine Tochter seines ältesten Bruders Ulrich. Aus der Ehe von Katharina Thurzo und Raymund Fugger, einem Sohn Georg Fuggers, entstammte Hans Jakob Fugger, der in Augsburg mit einem Denkmal als „Beförderer der Wissenschaft“ geehrt wird: Gut möglich, dass sein Interesse an Kunst auch von seiner Mutter Katharina geprägt wurde, deren Verwandte in Krakau immer wieder als Mäzene und Stifter in Erscheinung traten. Das Hans Jakob Fugger-Denkmal steht in der zentralen Augsburger Innenstadt am Fuggerplatz, direkt vor dem Eingang zum Maximilianmuseum.  

Das Slacker-Kruzifix, ein großartiges Werk von Veit Stoß.
© Katharina Dehner / Fugger und Welsermuseum Augsburg

Kunstwerke für das Seelenheil

In der gotischen Marienkirche gegenüber der Tuchhallen befinden sich mehrere Stiftungen, an denen sich die Familie Thurzo beteiligte: eine prächtige Seitenkapelle, mehrere Altäre und vor allem das riesige Kruzifix im Mittelschiff. Letzteres wurde von Georg Thurzo gestiftet. Aufsehenerregend sind vor allem zwei Werke des Bildhauers Veit Stoß: Der Hochaltar im Chorraum gilt als der größte seiner Art in ganz Europa. Beeindruckend ist auch das sogenannte Slacker-Kruzifix: Für den Krakauer Münzer Heinrich Slacker schuf Stoß ein naturalistisch anmutendes Kruzifix aus nur einem Baumstamm.

Texte © Katharina Dehner

Sehenswürdigkeiten, aktuelle Ausstellungen und Tipps

© David Galus / wikipedia

Der Wawel

Der Burgberg der polnischen Könige ist ein Kleinod der Renaissancekunst: Künstler wie Bartolomeo Berecci schufen hier Kunstwerke für die Ewigkeit. Zusammen mit der Krakauer Altstadt gehört der Wawel zum Weltkulturerbe der UNESCO.

© Kazimierz / Krakow Travel

Kazimierz

Kazimierz, in der Stadt am anderen Flussufer wuchs Helena Rubinstein auf. Steven Spielberg drehte hier für Schindlers Liste. Heute blüht dort wieder das jüdische Leben - gefeiert wird jeden August mit einem Musik- und Kulturfestival, das zehntausende Menschen aus aller Welt anzieht.

© Katharina Dehner / Fugger u. Welsermuseum Augsburg

Schindler´s Factory

Das Administrationsgebäude von Schindlers Fabrik beherbergt eine Ausstellung zum Weltkrieg und Holocaust in Polen - auch dem Krakauer Mietek Pemper, der die berühmte Liste anfertigte, wird dort gedacht. Er siedelte in den fünfziger Jahren nach Augsburg über und ist dort seit 2007 Ehrenbürger.