1525 bis 1645: Die Fugger und das
Quecksilberbergwerk in Almadén

Seit 2012 ist das Quecksilberbergwerk in Kastilien eine Welterbe-Stätte der UNESCO

Schon die Kelten, nach ihnen Römer und Araber, hatten bei Almadén das Quecksilbererz Zinnober abgebaut. Der Name der Bergbaustadt Almadén leitete sich aus dem Arabischen ab: In dieser Sprache steht das Wort „almaedinia“ bis heute für das Wort „Mineral“. 1524 vergab Kaiser Karl V. die ertragreiche Pacht des Quecksilberbergwerks in Kastilien an Jakob Fugger „den Reichen“, um bei ihm damit seine Wahlschulden zu tilgen. Ab 1525 – und dann bis 1645 – ließ die Augsburger Firma die Gruben von Almadén ausbeuten, lediglich unterbrochen von einigen Pachtperioden der Augsburger Welser. Fast hundert Jahre länger als Kupfer war also das spanische Quecksilber ein zentraler Geschäftszweig des Montanunternehmens der Fugger. Quecksilber als Hilfsmittel beim Scheiden von Gold wurde massenhaft nach Südamerika exportiert. Der aus dem Quecksilbererz Zinnober gewonnene rote Farbstoff wurde bis nach Indien verschifft. Europa benötigte das Quecksilber auch für die Herstellung von Spiegeln – und zur Bekämpfung einer neuen Krankheit: der Syphilis.

Tipp

Ein Besucherpark, der „Parque Minero“, führt durch die Geschichte und zur Bergbautechnik des Quecksilberbergwerks. Bei der Besichtigung geht es dort auch durch enge Stollen und in die Tiefe. Vor Ort ist das am spannendsten: Doch vorab kann man schon mal eine Besichtigungs­tour am Bildschirm unternehmen.

Parque Minero de Almadén

1519 hatte Jakob Fugger „der Reiche“ mit einem Großkredit die Wahl Karls V. zum römisch-deutschen König finanziert: Immense Beträge flossen als Wahlgelder („Handsalben“) an die sieben wahlberechtigten Kurfürsten. Die Wahl durch die deutschen Kurfürsten war die Voraussetzung dafür, dass Karl sich zunächst „erwählter Kaiser“ nennen konnte, um sich 1530 schließlich auch noch vom Papst krönen zu lassen. Als Gegenleistung übertrug der Habsburger seinem Augsburger Bankier 1524 die ertragreiche Pacht der Quecksilbermine in Almadén, einer Stadt in Kastilien. Die Gruben von Almadén bargen eines der weltweit größten Zinnober­vorkommen: Gewonnen wurde das Quecksilber von Almadén aus dem Quecksilbererz Zinnober, wobei das flüssige Metall bei Almadén stellenweise bis heute sogar in reiner Form tropfenförmig aus dem Gestein austritt.

Fuggerhaus in der Altstadt von Almadén
© Thomas Baumgartner / context verlag Augsburg | Nürnberg

Ab 1525 beuteten die Fugger das Quecksilberbergwerk in Almadén aus

Das Quecksilberbergwerk war Teil der sogenannten Maestrazgopacht, der Pacht vormaliger Besitzungen der spanischen Ritterorden Santiago, Alcántara und Calatrava. Nach der Reconquista, der Vertreibung der Araber aus Spanien, kam das Bergwerk in Almadén in den Besitz des Calatravaordens. 1487 unterstellte eine päpstliche Bulle diesen Orden dem König von Spanien: Damit waren auch die Güter des Ritterordens in die Hand der spanischen Krone gekommen. Der Habsburger Carlos I. von Spanien – Kaiser Karl V. – hatte dadurch den Zugriff auf die Vergabe der Pacht, die er mangels anderer Zahlungsmöglichkeiten seinem Bankier Jakob Fugger „dem Reichen“ übertrug. Von 1525 an ließ der Montan­konzern mit der Firmenzentrale in Augsburg das Bergwerk in Almadén ausbeuten. An die Fuggerfirma erinnert in der Altstadt von Almadén ein kleines Fuggerhaus: Es trägt heute den Namen „Casa de la Inquisición y de los Fúcares“. Die Faktorei der Fugger – auch der Verwaltungssitz des Minen­betriebs – lag jedoch 130 Kilometer weiter östlich in der Stadt Almagro.

Das Quecksilber aus Kastilien wurde in großen Mengen nach Südamerika exportiert. Dort war es ein unverzichtbares Hilfsmittel beim Scheiden von Gold. Das in Flaschen transportierte flüssige und hochgiftige Schwermetall wurde nicht nur nach Amerika exportiert, sondern auch in Länder Europas, in denen es bei der Herstellung von Spiegeln und beim Vergolden Verwendung fand. Aus dem Quecksilbererz wurde zudem der schon zu Zeiten der Römer gefragte rote Farbstoff Zinnober gewonnen: Das Zinnoberrot wurde bis nach Indien verkauft.

Das im Jahr 2003 stillgelegte Bergwerk – seit 2012 UNESCO-Welterbe
© Thomas Baumgartner / context verlag Augsburg | Nürnberg

Quecksilber wurde zum Scheiden von Gold und als Heilmittel gegen die Syphilis verwendet

Das war für die Fugger ebenso ein neues Geschäftsfeld wie der Verkauf von Quecksilber als Heilmittel gegen die Syphilis. Denn mit Quecksilberdämpfen und Quecksilbersalben versuchte man, die seit der Zeit um 1500 in Europa grassierende Geschlechtskrankheit zu behandeln. Weil vor allem französische Soldaten die Lustseuche in Europa verbreitet haben sollen, wurde die Syphilis von den Ärzten „Morbus gallicus“ – „Franzosenkrankheit“ – genannt. Die Fugger verdienten auch daran: Ein neuer, seinerzeit rasant wachsender Markt für das Quecksilber aus Almadén war entstanden. Dass die Fugger – im Wechsel mit den Welsern – die Pacht des Quecksilberbergwerks noch bis 1645 innehatten, unterstreicht die kaufmännische Bedeutung dieser Gruben. Und dass das Quecksilberbergwerk von Almadén von 1835 bis 1921 von den Rothschilds betrieben wurde, spricht wohl ebenfalls für sich.

Das Bergwerk von Almadén in der Provinz Ciudad Real wurde 2003 stillgelegt, 2012 wurde es als Bestandteil des Komplexes „Erbe des Quecksilbers: Almadén und Idrija“ von der UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen. Zur Welterbestätte gehört auch die Altstadt von Almadén mit Objekten wie einer sechseckigen Stierkampfarena, dem Königlichen Bergmannshospital von San Rafael und dem Königlichen Zwangsarbeiter­gefängnis. Viele Sträflinge mussten ihre Strafen als Arbeiter in den Bergwerken von Almadén verbüßen, viele erlebten das Ende ihrer Haftzeit nicht. Auch Kriegsgefangene wurden zur Arbeit in den Quecksilbergruben eingesetzt.

Text © Martin Kluger

Sehenswürdigkeiten, aktuelle Ausstellungen und Tipps

© Raimundo Pastor / Wikipedia CC BY-SA 3.0

Real Hospital de Mineros de San Rafael

Das königliche Bergmannspital San Rafael. Eine spannende Ergänzung zum Besuch der Mine: Seit 1774 wurde hier intensiv daran geforscht, wie die durch das Quecksilber verursachten Krankheitsbilder therapiert werden könnten. Zwangsarbeiter wurden im Verlies behandelt. Außerdem: Eine Ausstellung über die Bergbaustadt Almadén.

© Thomas Baumgartner / context verlag Augsburg | Nürnberg

Ein Spaziergang durch Almadén

Nah beim Rathaus liegt die Casa de la Inquisición y de los Fúcares. In diesem Haus gegenüber dem ehemaligen Gebäude der Bergwerksakademie residierten Angestellte der Fugger-Firma – heute kann man dort über­nachten. Am Ende der Straße steht die Ruine des Castillo de Retamar – von dort aus überblickte der Verwalter der Fugger das Berg­werks­gelände. In Richtung Universität geht es am Busbahnhof vorbei, dessen Halte­stellen­häuschen an den Eingang zum Stollen der Zwangsarbeiter erinnert. Sie kamen aus dem nahen Gefängnis, dessen Fundamente Teil des modernen Uni-Campus wurden. In der Universität, die aus der Bergbau­akademie hervorging, zeigt ein Museum Exponate zur Geschichte der Mine. Am anderen Ende der Altstadt kann man die Stierkampfarena samt einer Ausstellung besuchen. Auf dem Platz davor erinnert ein Denkmal an die harte Arbeit der Bergleute.

© Lluís Maria Vidal i Carreras / Wikipedia Commons

Gift, Krankheit, Tod: Egon Erwin Kisch in Almadén

Der„rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch besichtigt das Bergwerk in Almadén. Er ist bestürzt: Queck­silberdämpfe bringen den Arbeitern Krankheit und Tod. Der Journalist und Kommunist berichtet 1934 über die Quecksilber­gewinnung, und er beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Kriegsindustrie. Kisch vergleicht das Bergwerk mit Folter und Dantes Inferno. Denn mehr als die Hälfte der Arbeiter leidet an Vergiftungs­symptomen: Entzündungen, Herz­schwäche, Zerstörung des Nerven­systems, Diphtherie, Zahnausfall und Anämie. Schockiert beschreibt Kisch das greisenhafte Äußere junger Männer. Er berichtet von vielen Todes­opfern, einem Aufstand der Arbeiter und der Zwangsarbeit von Häftlingen.

Zur Reportage „Menschen im Quecksilber, Quecksilber im Menschen“:

© Valdoria / Wikipedia Public Domain

Die Ordensburg von Calatrava

Auf dem Weg von Almadén nach Almagro lohnt sich ein Abstecher zur Ordensburg von Calatrava. Der Orden von Calatrava wurde 1158 als erster großer Ritterorden Spaniens gegründet. In der Zeit der Reconquista waren Ordensburgen militärische Stützpunkte im Kampf gegen die Araber.

© Thomas Baumgartner / context verlag Augsburg | Nürnberg

Ein Abstecher nach Almagro

Die Faktorei der Fugger, der Verwaltungssitz, arbeitete 130 Kilometer östlich von Almadén in Almagro. Dort findet man ein prächtiges Fuggerhaus, den „Palacio de los Fúcares“. Den Innenhof rahmt ein Säulengang. An und in der Kirche San Blas entdeckt man das Fuggerwappen.